Wieder in Lappland angekommen sind wir gespannt, ob wir wie beim letzten Mal (im März 2017) mit so schönen Nordlichtern beschenkt werden. In Kuusamo verbringen wir unsere erste Nacht und fahren anschliessend in den Nationalpark Oulanka. Danach überqueren wir den Polarkreis. Die Temperaturen werden kühler und die Flüsse wilder.
Skiferienort Kuusamo (27.8.24)
Kuusamo und Ruka sind beliebte Ferienziele in der Winterzeit. Rund 15% des Stadtgebietes sind die 166 Seen, welche im Winter ideale Langlaufpisten und Skitöffrouten ermöglichen. Ruka hingegen ist ein "Berg" mit einem Skisportzentrum auf rund 462 Meter. Wir nutzen die "Zivilisation" um einzukaufen und ich leiste mir Herbstschuhe mit Fell und gutem Profil. Es ist heute 16 Grad und wir müssen uns dazu durchringen die Sommerkleider durch die Winterkleider zu ersetzen. Warum ich 7 Paar Handschuhe eingepackt habe ist mir bis heute unklar ;-). Tamara kann meine Begeisterung für die Bilder, welche der Wind in den See malt, nur bedingt verstehen. Ich kann mich kaum satt sehen und mir wird bewusst: Der Wind bläst wie er will und von wo er will. Auf jeden Fall malt er die schönsten Formen und Bilder und spielt von allen Seiten mit den Wellen. Ich weiss nicht wie lange, aber Tamara wartet sicher schon im Camper auf mich... Und die Blädis zieht es am Nachmittag weiter - Tamara und ich entwickeln gegen den Abend zusätzliche Kräfte, die uns auf unserer Reise vorwärts treiben. Zusätzlich geniesse ich das Fahren in der Abendstimmung sehr. Auch die Population der Rentiere nimmt jetzt etwas zu. Das junge Rentier auf dem Foto hat Gott sei Dank überlebt.
Golden hour - Oulanka Nationalpark
Direkt im Nationalpark jeweils zuerst zur Tourist Information zu gehen, hat sich bis jetzt bewährt. Auch dieses Mal finden wir die Schilder mit den Wanderwegen und die Abendstimmung lädt uns ein noch an einen ca. 1 km entfernten Wasserfall zu gehen. Auch ein paar andere Touristen sind noch unterwegs und das lässt uns hoffen, dass die Sonne noch in den Canyon scheint und wir eine schöne Sicht auf den Wasserfall haben. Wir werden mit einer atemberaubenden Stimmung überrascht.
Da keine wilden Übernachtungen im Nationalpark erlaubt sind, fahren wir wieder einen Spot von Park4Night an. Der Oulanka Nationalpark liegt hauptsächlich in Russland. Nur ein kleiner Teil ist in Finnland zugänglich. Unser Navigationssystem führt und an den Isojärvi See der nur 12 km von der russischen Grenze entfernt ist. Es ist ein mulmiges Gefühl, wenn rundherum nur Bäume sind und die Grenze zu Russland so nahe liegt.
Wieder hat Tamara einen tollen Platz recherchiert und wir kommen bei Sonnenuntergang an.
In der Nacht wecken mich spannende Geräusche von Vögeln. Tönen wie übermütige Tauben und sehen aus wie Fasane. Ich sehe bereits die Morgendämmerung und stelle meine Kamera auf, um im Zeitraffer-Modus den Sonnenaufgang zu filmen. Diesen Film werde ich sicher auf Instagram posten. Darauf siehst du dann auch die "kurligen" Vögel, die sich vor unserem Auto tummeln. Beim genauer Hinsehen erkennen wir, dass es sich um Auerhühner handelt.
Mittwoch ist "Waschtag" (28.8.24)
Wir suchen uns einen Campingplatz im Nationalpark mit Waschmaschine und der hat glücklicherweise noch bis am 31.8. offen.
Der Campingplatz Oulangan kansallispuiston leirintäalue - majoitus ja elämyspalvelut - Kuusamo (oulankacamping.fi) ist der Hammer. Im Nationalpark eingebettete Häuser mit Gras auf den Dächern, geheizte Räume und eine Sauna am See :-) Wir buchen gleich die Sauna für den Abend. So schnell kann aus einem Wasch-Alltag ein Sauna Traumtag werden. Es dunkelt bereits um 21 Uhr ein und wir merken auch an den Temperaturen, dass es Herbst wird. Natürlich gehen Tamara und ich wie die Finnen zwischen den Saunagängen in den See. Fühlt sich nicht unaushaltbar an und mit der Zeit macht es sogar Spass.
Der kleine Bären-Trail (29.8.24)
Tamara hat am Vorabend noch ein Roggenbrot gebacken und ich wünsche mir insgeheim nie mehr Brot zu kaufen, weil es so lecker schmeckt. Dazu gibt es 3-Minuten Eier, Marmelade aus der Schweiz, Honig von einem Kundengeschenk "Salesexperts" und Früchte aus Finnland. Die Birnen schmecken hier hervorragend und auch die Blaubeeren sind noch voll in der Saison. Nach dem ausgedehnten Frühstück, oder sollte ich besser sagen "Spätstück", packen wir unseren Rucksack für die 12 km lange Wanderung. Wir fahren ca. 20 km nach Juuma und halten nun nicht mehr an, wenn wir Rentiere sehen, sonst kommen wir ja nie an...
Vom Namen her müsste der Trail eher "keine Bären Trail" heissen, damit keine falschen Erwartungen geweckt werden. Obwohl der Trail aus den 50er Jahren von einem Postkurier benutzt worden ist, der wohl während seiner Route durchschnittlich jeweils einen Bären gesehen hat. Heute ist es einer der meistbewanderten Wege in Finnland und darum sind die Bären schön längst geflüchtet. Trotzdem wandern Tamara und ich sicher 1h ohne jemandem zu begegnen. Nur ein Rentier, oder besser gesagt, schon wieder ein Rentier, steht am Wegrand. Es ist ein Männchen und bald Paarungszeit und darum sind wir vorsichtig. Wir wollen ja nicht mit einem Rentierweibchen verwechselt werden ;-).
Die Wanderung lohnt sich. Wir erleben den Fluss von allen Seiten. Einmal ganz ruhig, dann als Wasserfall und gleich wieder schlängelt er sich durch den dichten Wald. Immer wieder überqueren wir den Fluss und die Stromschnellen mit Hängebrücken. Klippen, dichte Wälder und Moorlandschaften wechseln sich ab und so werden 12 km zu einer kurzweiligen Wanderung. Die Grillplätze sind wieder mit Schlafgelegenheit und Toiletten ausgestattet. Ich spalte noch ein paar Scheite Holz, einfach weil "ich grad Glust gha han" und wir wandern weiter.
Am Abend sind wir müde und planen den nächsten Tag. Wir stellen plötzlich fest, dass wir nur ca. 3 h von Luosto entfernt sind. An diesem Ort haben wir mit sehr guten Freuden den schönsten Winterurlaub unseres Lebens verbracht. Jeden Tag blauer Himmel und jede Nacht Polarlichter. Wir können nicht anders und fahren am nächsten Morgen nach Luosto, um in Erinnerungen zu schwelgen.
Campingplatz heisst auch Putztag (30.8.24)
Der Herbst ist spürbar. In der Nacht ist die Temperatur 11 Grad und weil wir heute bereits um 7 Uhr frühstücken, scheint auch die Sonne noch nicht auf unser Auto. Die Wäsche ist trotz kalten Temperaturen getrocknet und auch bald verstaut. Nun ist auch noch Putzen angesagt. Die Wohnung ist nicht so gross und darum geht das zu zweit ratz-fatz.
Die Bäume, beziehungsweise ihre Farbe, reden eine klare Sprache und auch die orangen Stecken an den Strassenrändern geben uns zu verstehen "winter is coming".
Wir freuen uns auf Luosto und bereits am Dorfeingang begrüsst uns ein stattliches männliches Rentier. Als erstes finden wir "unser" Blockhaus, welches wir in jenem Winter bewohnt hatten und finden auch das grosse Moor wo wir die fantastischen Nordlichter beobachtet hatten. Danach sind wir so erschöpft von den Erinnerungen, dass wir in "unserer" Bar einen Lingoncello und einen Arctic Blue Gin genehmigen. Natürlich darf der Rendeer Burger anschliessend nicht fehlen. Etwas Nostalgie muss sein.
Wir finden einen ruhigen Stellplatz am See und hoffen, dass wir am Morgen wieder rausfahren können, weil es stark regnet und rundeherum sumpfig ist. Aber für was haben wir einen 4x4. Wir liegen im Bett und der Regen wird immer stärker und stärker und wir stehen am See im Moorgebiet. Uns wird es zu mulmig und ich parke bei Nacht und Regen um.
Wanderung über 670 Stufen Treppen zum Ukko-Luosto (31.8.24)
Tamara und ich nehmen die gleiche Wanderroute wie das letzte Mal im Winter als wir mit den Schneeschuhen unterwegs waren. Erst jetzt sehen wir, wie steil der Berg ist auf den wir hoch gestampft sind. Im Sommer hat es eine Treppe und der Aufstieg ist kurz, aber "knackig". Wir wollen bis zum Aussichtspunkt und die Sicht auf die Herbstlandschaft geniessen. Der Nebel wird immer stärker und die Wetterstation meldet deutlich "Nebel".
Der Aufstieg hat uns aber schöne Momente mit tollen Aufnahmen ermöglicht. Ich sagte immer wieder zu Tamara, warte schnell ich möchte ein Foto machen. Eigentlich wollte ich nur eine Pause....:-)
Die Weiterfahrt ist traumhaft. Einerseits, weil es wieder einmal Abendstimmung ist und andererseits wegen dem Restaurant, das wir besuchen und Pancake mit Rauchlachs geniessen. Am Abend finden wir eines der schönen Plätzchen am Fluss/See. Ein Feuer gehört dazu und dabei geniessen wir ein, zwei Tassen Tee in der Abenddämmerung.
Natürlich muss die Übernachtung am Fluss am nächsten Morgen auch aus der Luft festgehalten werden.
Fahrt zum Urho-Kekkonen Nationalpark (1.9.24)
Auf dem Weg zum Nationalpark besuchen wir noch Tankavaara, eine "Goldgräberstadt", welche in den 30er Jahren aktiv war und in den späten 60er Jahren als Touristenort etabliert wurde, wo Interessierte selber nach Gold schürfen können. Auf dem Areal stehen spannende Gebäude, unter anderen auch verschidenen "urchige" Saunas in verschiedenen Ausführungen. Saunas mit Ofen, mit offener Feuerstelle oder eben die heutige Sauna nach dem Vorbild der kleinen Einzelsaunas gebaut. Ja die Saunen haben sich weiterentwickelt seit sie von den Finnen vor rund 1500 Jahren erfunden wurden.
Wir fahren bei schönstem Wetter zum Nationalpark und sehen wieder Rentiere. Aktuell sind die Männchen im September ihre Geweihe für die Brautschau am "Aufpimpen". Das heisst, dass der Bast auf dem Geweih abgestossen wird und sie sich so auch auf den Kampf mit Rivalen die schönsten Weibchen erkämpfen. Die weissen Rentiere haben eine Botschaft, wenn sie dich anschauen, so glauben es die Samen.
Wanderung im Urho-Kekkonen Nationalpark (1.9.24)
Der Nationalpark grenzt an die russische Grenze und ist als finnisches Fjell einzigartig mit seiner Vegetation. Hier findest du Nadelbäume, Fjellbirken und von niedrigalpinen bis zu hochalpinen Gesteinsschichten. Die Weitsicht reicht bis in die Anhöhen von Russland. Die über 10 km-Wanderung hat sich auf jeden Fall gelohnt.
Es geht weiter nach Inari (2.9.24)
In der Nacht haben wir die ersten "Verfärbungen" in der Wolkendecke gesehen. Der Aurora Alarm stand auf über 30% und unsere Hoffnung liess uns Farben erkennen.
Samsung im Nachtmodus registrierte diese auch, aber das Foto ist "unwürdig" in Zusammenhang mit Polarlichter genannt zu werden.
Wir stehen früh, um 9 Uhr auf und unternehmen als erstes eine kleine Wanderung, den Ruijanpolku Trail, von 2h durch das schöne Fjell. Diese Strecke war früher eine Handelsroute zwischen dem Arktischen Meer und dem Bottnischen Meerbusen. Die Fijell-Birken sind hier wieder etwas höher und sehen aus wie Büsche. Nach einer 10 Grad kalten Nacht wird es heute sommerliche 20 Grad. Mit der Wanderung haben wir unser Minimum-Pensum an Schritten auch bereits wieder übertroffen.
Ein kleiner Erkundungsrundgang durch Inari gibt uns einen Eindruck über diese sympathische Stadt in Nord-Lappland.
In Inari angekommen gehen wir als Erstes in einen Souvenir-Shop und kaufen so das "Nötigste" ein. Weil wir die kleine Stadt grad etwas geniessen, laden uns die wohligen Sonnenstrahlen auf die Terrasse des Inari-Hotel ein. Wieso sollen wir an diesem schönen Ort eigentlich nur einen Apéro geniessen? Darum bleiben wir auch zum Abendessen hier. Nachdem wir im K-Market noch etwas eingekauft haben, sitzen wir mitten in Inari im Camper und es laufen einige Rentiere an uns vorbei.
Eine klare Nacht steht uns bevor... die Hoffnung auf Nordlichter steigt...
Im Auto im Dorfzentrum von Inari warten wir auf die Nordlichter... Wir sehen von unserem Parkplatz direkt nach Norden über den dunkeln See. Wie stellen uns vor, dass wir die Nordlichter über dem See sehen und dann über die Strasse am See das Spektakel bewundern können. Unter den Strassenlampen ist es taghell und wir sehen nichts. Es wird 23 Uhr und Tamara findet eine Kontiki Aurora Kamera online am Sami Museum. Diese ist nur wenige Meter von uns weg und meldet schwache Lichtvorkommen. Das reicht mir und ich hüpfe aus dem Auto, über die Strasse an den See. Ich sehe von dort die ersten Nordlichter hinter dem Hotel Inari im Wald verschwinden. Tamara ist inzwischen dazu gestossen und wir hüpfen wie die kleinen Kinder und freuen uns :-).
Nun folgen wir den Nordlichtern hinter dem Hotel Inari direkt in den Wald. Es ist mittlerweile stockfinster. Nach wenigen Metern durch den Wald kommen wir am Ufer des Sees an und staunen über dieses Naturwunder. Die Lichter sind zwischen 23-01 Uhr sehr stark und wir sehen uns satt.
Kirche Pielpajärvi (3.9.24)
Der nächste Morgen startet früh, weil wir die ersten sein wollen an der Kirche Pielpajärvi. Kirche der Wildnis von Pielpajärvi - Pfarrei Inari (inarinseurakunta.fi)
Diese wurde im 17th Jahrhundert gebaut. Sie heisst Wildnis Kirche und die Samen haben sich damals im Winter getroffen. Vom Frühjahr bis zum Herbst zogen die Samen jeweils den Tieren und Fischen hinterher. Die Kirche wurde bis 1888 regelmässig genutzt. Erst als die Kirche in Inari im zweiten Weltkrieg zerstört wurde, wurden wieder Gottesdienste in der alten Kirche gefeiert. Selbst heute werden an besonderen Feiertagen noch Gottesdienste durchgeführt. Auf dem Pilgerweg sind auf Plakaten interessante Gedanken und Bibelstellen zu den verschiedenen Jahreszeiten aufgeschrieben: Frühling: Tragen wir Sorge zur Schöpfung; Psalm 8.3-6, Vorsommer: Leben erwacht; Psalm104.27-30, Sommer: Neues schaffen; Psalm 36.7-9, Spätsommer: Dankbarkeit; Johannes 6.33-35, 47, Herbst: Vertrauen; Psalm 103.15-17, Vorwinter: Licht; Jesaja 9.2, Winter: Hoffnung; Johannes 8.12, Spätwinter: Friede und Barmherzigkeit; Jesaja 54.10 und endet mit einem Dankesgebet an der Kirche. Die Bibelstellen kann man nachlesen unter www.bibelserver.com
Die Wanderung ist rund 9 km und führt uns durch ein Gelände mit vielen Findlingen aus der Eiszeit.
An dieser Stelle ist es mir für unser aller Wohlergehen wichtig, dass ich euch die wichtigste Blaubeeren-Regel mitteile ;-). Warum hat es neben den Wanderwegen in Finnland so viele Blaubeeren?
A) Weil sie erst letzte Nacht gewachsen sind und wir Glück haben?
B) Weil die Hundebesitzer und geübter Wanderer wissend daran vorbeilaufen?
C) Weil die Beeren durch die Menschennähe besonders gut wachsen?
Hast du die richtige Abtwort gefunden? Ja, B ist die richtige Antwort und wer sich bei einer Wanderung trotzdem nicht zurückhalten kann, sollte nach Grossmutter's Rezept immer ein Gläschen Natron dabei haben, um eine gründliche Reinigung der Beeren vorzunehmen:-). Das gilt auch für Preiselbeeren, Moosbeeren, Krähenbeeren, usw.
Wir treffen bei der Kirche noch Reisende aus Deutschland und vernetzen uns über Instagram. Uns verbindet das "gleiche Auto", Reisedauer und ihr inspirierender Name roadtrip2paradise hat auch etwas mit unserem Leben zu tun :-).
Am Nachmittag besuchen wir noch das Samen Museum in Inari. Ihr müsst wissen ein Museumsbesuch mit Tamara ist sehr spannend und gleichzeitig eine Geduldsprobe. Nach 39 Jahren weiss ich damit umzugehen und geniesse die Zusammenfassungen der gelesenen Informationen von Tamara sehr:-). Mich interessiert vor allem der Glauben der Sami in Zusammenhang mit der Natur und dem Schamanismus. Als reisendes Volk hatten sie auch das Motto: Nimm nicht mehr als du brauchst. Schön zu sehen, wie dieses indigene Volk sich bis heute präsentiert und nicht in Vergessenheit gerät. Die Besiedlung durch die ersten Menschen in dieser Region war vor 7500-8500 Jahren während der Steinzeit. Nach der Eiszeit hatten sich damals Rentiere und Nadelbäume hier angesiedelt.
Auf dem Weg nach Neiden (Norwegen) übernachten wir nochmals in einem finnischen Wald am See:-) Am nächsten Tag übertreten wir die Grenze nach Finnmark in Norwegen. Für uns ist es das erste Mal in Norwegen und wir freuen uns sehr auf die schroffen Küsten und die vom Gletscher abgeschliffenen Felsen.
byby Finnland
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